Position des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V. zur "Klarheit und Wahrheit bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln"

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  • Die Initiative

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat im September 2009 die Initiative 'Klarheit und Wahrheit bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln' ins Leben gerufen.
Hintergrund waren die wiederholten Diskussionen über angeblich irreführende oder täuschende Praktiken bei der Aufmachung von Lebensmitteln. Im Fokus der Initiative stehen Fälle, bei denen rechtlich zwar nichts zu beanstanden ist, der Verbraucher sich aber dennoch getäuscht oder in die Irre geführt fühlt.

Gründe hierfür seien einerseits mangelnde Kenntnisse der Verbraucher über die rechtliche Lage, andererseits gäbe es auch Fälle bei denen die Aufmachung bei Verbrauchern falsche Erwartungen wecke, so das Ministerium.

Zentrales Element ist ein Internetportal als Informations- und Meinungsforum. Dort soll über die gesetzlichen Vorschriften der Lebensmittelkennzeichnung und deren Bedeutung informiert werden, und auch die Möglichkeit bestehen konkrete als täu-schend empfundene Produkte zu melden. Das Internetportal soll vom Verbraucher-zentrale Bundesverband (vzbv) unter Federführung der Verbraucherzentrale Hessen geführt werden. Start der Web-Seite soll bereits im Frühjahr 2011 sein.

  • BGA Position

Die geltenden Kennzeichnungsvorschriften für Lebensmittel sind ein sehr komplexes Thema, das für den einzelnen Verbraucher zum Teil schwer zu verstehen ist. Die grundsätzliche Zielrichtung der Initiative, nämlich eine bessere Information der Verbraucher über die gesetzlichen Regelungen sowie die Aussagekraft der Angaben auf Lebensmitteln, ist aus Sicht des BGA deshalb uneingeschränkt zu begrüßen.

Wichtig ist dabei vor allem eine sachliche und neutrale Information. Das Angebot an sicheren und guten Lebensmitteln auf dem deutschen Markt ist so groß wie nie zuvor. Durch das Internetportal darf keinesfalls der Eindruck erweckt werden, dass grund-sätzliches Misstrauen gegenüber der Lebensmittelbranche angebracht sei.

Neben dem Informationsteil ist auch ein produktbezogener Bereich der Seite geplant, auf dem Verbraucher Lebensmittel melden können, deren Aufmachung sie als irrefüh-rend wahrnehmen. Diese Meldungen werden veröffentlicht und auch das betroffene Unternehmen hat die Möglichkeit Stellung zu beziehen.

Der BGA lehnt diesen Teil der Internetseite aus grundsätzlichen Rechtserwägungen ab. Die öffentliche Vorführung von Unternehmen auf Anregung und mit ideeller und materieller Unterstützung des Bundesministeriums berührt massiv den Bereich der geschützten Positionen der Unternehmen aus Art. 12 und Art. 14 Grundgesetz (Be-rufsfreiheit sowie Eigentum) und steht nicht in Einklang mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Grundgesetz. Es ist zu missbilligen, dass das Internetforum Unternehmen in Rechtfertigungszwänge bringen würde, die sich vollkommen in Einklang mit geltendem Recht befinden. Das geltende Recht muss aus Gründen der Rechtssicher-heit Maßstab allen Handelns bleiben. Erweist sich dieses Recht als unzulänglich, muss der Gesetzgeber es nach den dafür vorgesehenen Verfahrensregeln anpassen. Staatli-che Zwänge 'durch die Hintertür' sind nicht zu akzeptieren.

  • Forderungen des BGA

Der BGA spricht sich grundsätzlich gegen die Einführung des produktbezogenen Teils der Internetseite aus. Für den Fall der Umsetzung trotz massiver Bedenken, fordert der BGA klare, durch das BMELV festgeschriebene Regeln für die Sachlichkeit der Information sowie der Moderation des Internetportals. Die Sachlichkeit und Ausge-wogenheit muss sowohl im Informationsbereich als auch im produktbezogenen Bereich gewährleistet sein. Außerdem muss sichergestellt werden, dass niemals fälschlicherweise der Verkäufer veröffentlicht wird.

Die Sachkenntnis der Wirtschaft, vertreten durch ihre jeweiligen Verbände, muss als Pendant zum vzbv eng in das Projekt einbezogen werden.

Für die Speicherung der Daten in dem geplanten öffentlich zugänglichen Archiv, müssen klare Regeln durch das BMELV formuliert werden. Diese müssen festlegen, wann eine Meldung ins Archiv kommt und wie lange sie dort gespeichert bleibt.

Die Frist von sieben Tagen für die Abgabe einer Stellungnahme ist angesichts der Struktur von mittelständischen Unternehmen zu kurz. Auch bei importierten Produk-ten wird es kaum möglich sein, innerhalb der kurzen Frist von nur einer Woche eine kompetente, deutschsprachige Stellungnahme zu erstellen. Die gleichzeitige Veröf-fentlichung der Stellungnahme des Unternehmens mit der Meldung eines Verbrau-chers wird also nur in den wenigsten Fällen gewährleistet sein. Der BGA fordert eine Verlängerung der Frist auf mindestens zehn Werktage. Bei importierten Produkten muss diese noch deutlich länger sein.

Ein weiteres Risiko für die Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft ist es, Opfer einer nicht berechtigten Verbrauchermeldung zu werden. Selbst wenn in Stellung-nahmen und durch die Moderation der Internetseite die Fakten richtig gestellt werden, ist ein Imageverlust nicht auszuschließen. Gleiches gilt auch bei Meldungen über Konkurrenzprodukte, da der Leser die Meldung nicht unbedingt nur auf den betroffe-nen Artikel sondern auf alle Artikel seiner Art bezieht.

Der Missbrauch des Internetportals für gezielte Kampagnen muss auf jeden Fall verhindert werden. Dafür müssen geeignete Vorkehrungen getroffen werden.

  • Schlussbemerkung

Der BGA stimmt Bundesministerin Aigner zu, dass Aufklärungsbedarf bei den Verbrauchern über Lebensmittelkennzeichnung besteht. Das geplante Internetportal mit seinem produktbezogenen Teil ist dafür jedoch nicht die geeignete Maßnahme. In jedem Fall kommt es nun bei der Umsetzung darauf an, faire Regeln festzulegen, um sicherzustellen, dass das Portal einen gesellschaftlichen Mehrwert darstellt und nicht lediglich das Misstrauen in die Lebensmittelwirtschaft schürt.

Das Leitmotiv sollte dabei bleiben: ‚Das Angebot an sicheren, guten und abwechs-lungsreichen Lebensmitteln auf dem deutschen Markt war noch nie so groß wie heute‘.