Fokus Fleisch schreibt Bill Gates

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Bonn, 24.02.2021 -

Sehr geehrter Herr Gates,

wir unterstützen Ihr Engagement für mehr Klimaschutz. Dafür bedarf es größter Anstrengungen aller gesellschaftlichen Gruppen. Unsere Branche, die deutsche Fleischwirtschaft, reduziert durch vielfältige Maßnahmen jedes Jahr neben vielen Dingen den CO2-Ausstoß und den Wasserverbrauch in der Produktion. Im Vergleich zu vielen anderen Industriebranchen zeigen die Nachhaltigkeitswerte in der Fleischerzeugung große Fortschritte. Möglicherweise waren Ihnen diese Fakten nicht bewusst, als Sie die Forderung aufstellten, die Menschen in den reichsten Ländern der Erde mögen sich vom Fleischkonsum verabschieden und auf synthetisch erzeugte Produkte umsteigen.

Sie investieren einen großen Teil Ihres Vermögens in bedeutende Projekte zur Rettung des Planeten Erde. Ihr finanzielles Engagement für soziale Projekte, vor allem in Afrika, ist großartig. Auch dass Sie Ihre globale Bekanntheit einsetzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen, ist ehrenwert. Bei Ihrem jetzigen Vorstoß „Fleischverzicht“ dürfen Sie aber nicht verschweigen, dass Sie selbst zum Start von Beyond Meat Millionen in das Unternehmen investiert haben. Das untergräbt Ihre Glaubwürdigkeit.

Um Ihren Appell für mehr Klimaschutz in der Argumentation auch stabil und sicher zu machen, liefern wir Ihnen gern neutrale Fakten:

Natürlich haben Sie Recht, dass der landwirtschaftliche Sektor durch eine klimaeffiziente Produktion einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung von Treibhausgas-Emissionen leisten kann. Das passiert auch, jedes Jahr verbessern sich die Werte. Beispiel Deutschland: Hier machen die Emissionen der Landwirtschaft 7,4 Prozent der gesamten CO2-Emissionen aus – hochgerechnet auf CO2-Äquivalente (https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#treibhausgas-emissionen-aus-der-landwirtschaft). Dabei handelt es sich in weiten Teilen um einen natürlichen Kreislauf von CO2-Aufnahme durch Pflanzen (Futtermittel) und Methan-Emissionen, während im Verkehr und der Industrie überwiegend fossile CO2-Träger eingesetzt werden. So hat die deutsche Landwirtschaft von 1990 bis 2018 die Treibhausgas-Emissionen um 20 Prozent gesenkt, von 79 Mio. Tonnen auf 63 Mio. Tonnen im Jahr. Europaweit liegt der Rückgang sogar bei rund 40 Prozent.

Die FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) hat zum Thema Klimawandel und landwirtschaftliche Lebensmittelproduktion umfangreiche wissenschaftliche Daten öffentlich zur Verfügung gestellt. Das zeigt: Mit modernen Methoden lassen sich die Emissionen in der Landwirtschaft fortlaufend optimieren. Währenddessen steigen die Emissionen in anderen Branchen kontinuierlich.

Eines der zentralen Gase, das in der Landwirtschaft freigesetzt wird, ist Methan. Methan verhält sich allerdings – im Gegensatz zu CO2 aus fossilen Quellen wie Kohle und Öl – grundlegend anders: Es baut sich in der Atmosphäre nach neun bis zwölf Jahren zu CO2 ab und wird dann von den Pflanzen im Rahmen des biogenen Lebenszyklus wieder umgewandelt. Bei gleichbleibenden Rinderherden bleibt also auch der Methananteil durch die Nutztierhaltung in der Atmosphäre stabil. Es wäre sehr interessant für Sie, mit Professor Dr. Frank M. Mitloehner Kontakt aufzunehmen. Prof. Mitloehner ist einer der wichtigsten Wissenschaftler der Welt, der den Zusammenhang von Klimawandel und Landwirtschaft untersucht. Er forscht in Ihrer Nachbarschaft, an der Universität von Kalifornien in Davis.

Landwirtschaft und Nutztierhaltung machen einen großen Teil der verfügbaren Biomasse für den Menschen nutzbar. Denn 82 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Flächen sind für den Ackerbau nicht geeignet (Quelle: Raschka et al. 2012, nova-Institut). Dieses Weideland produziert aber viele Nährstoffe, die nur Wiederkäuer in Nahrungsmittel für Menschen umwandeln können. Diesen Zusammenhang hat aktuell Prof. Dr. Wilhelm Windisch von der TU München-Weihenstephan aufgezeigt: (https://www.topagrar.com/schwein/news/nutztiere-machen-nicht-essbare-biomasse-fuer-uns-erst-nutzbar-12466684.html).

Sehr geehrter Herr Gates, wenn Sie alle Fakten auf sich wirken lassen, dann ist Fleischverzicht kein Weg zur Klimarettung. Mit anderen Methoden ließe sich deutlich schneller CO2 einsparen. Ein Vergleich: Eine durchschnittliche Person in Deutschland würde pro Jahr 0,45 Tonnen CO2 einsparen, wenn sie auf eine vegetarische Ernährung umsteigt. Bei einem Vier-Stunden-Flug spart man 0,68 Tonnen CO2. Ihr persönlicher CO2-Ausstoß war laut Berechnungen der Universität Lund aufgrund Ihrer zahlreichen Privatflüge 10.000-mal so hoch wie der einer durchschnittlichen Person. Die Berechnung fußt auf Daten von 2017 – haben Sie seither Ihre Flüge eingeschränkt, um Ihren gigantischen CO2-Fußabdruck zu senken?

Auch der enorme Energieverbrauch durch die globale Internetnutzung trägt weit mehr zur CO2-Freisetzung bei als die Fleischerzeugung. Allein in Deutschland hat die Internetnutzung 2019 (als noch viel geflogen wurde) so viele Emissionen verursacht wie der gesamte Flugverkehr. (https://www.zdf.de/nachrichten/heute/klickscham-wie-viel-co2-e-mails-und-streaming-verusachen-100.html).

Sehr geehrter Herr Gates, berücksichtigen Sie bitte die aufgezeigten Fakten und Aspekte, wenn Sie weiter Empfehlungen zur Klimaschonung geben. Wir sind sicher, dass alle Branchen und Produktionsbetriebe zusammen Anstrengungen unternehmen müssen, um eine Verbesserung der CO2-Bilanz zu erreichen. Mit einem generellen Fleischverzicht wird das nicht gelingen. Und wie Sie selbst in einem Interview sagten, werden auch Sie selbst nicht auf Ihre geliebten Cheeseburger verzichten.

Wir, die Fleischwirtschaft in Deutschland, setzen auf eine zukunftsorientierte Fleischerzeugung, die stärker in Kreisläufen organisiert ist und die damit – etwa über die Gülledüngung – in letzter Konsequenz auch den intensiven Anbau von Nutzpflanzen möglich macht. Wenn wir künftig zehn Milliarden Menschen auf der Welt ernähren wollen, dürfen wir uns nicht in Grabenkämpfen und Dämonisierungen verlieren. Wir brauchen Innovationen, um Fortschritte im Sinne des Klimas und für die Menschheit zu erreichen. Da sind wir einer Meinung.

Mit den besten Grüßen
gez. Dr. Heike Harstick
Fokus Fleisch