Globale Auswirkungen einer rein pflanzlichen Ernährung

VDF, 15.02.2019 - Fleischverzicht in Deutschland hätte kaum Einfluss auf das globale Klima, würde die Welternährungssituation nicht verbessern und auch den Regenwald nicht retten, dafür aber zu Milliardenverlusten für die Volkswirtschaft führen. Zu diesem Ergebnis kommt der Agrarökonom Prof. Michael Schmitz in einer aktuellen wissenschaftlichen Studie, in der die weltweiten und nationalen Konsequenzen eines reduzierten Verbrauchs tierischer Produkte, eines Anstiegs tierschutzbedingter Produktionskosten und eines Importverbots für eiweißreiche Futtermittel untersucht werden.

Kurzfassung:

„Die Nutztierproduktion in Deutschland steht nicht nur im harten europäischen und internationalen Wettbewerb, sondern ist auch erheblichem gesellschaftlichen Druck am eigenen Standort ausgesetzt. Kritiker empfehlen einen Verzicht auf Fleisch- und Milchprodukte mit Verweis auf die Gesundheitsvorteile, den Tierschutz, den besseren Umwelt- und Ressourcenschutz sowie den Welternährungsbeitrag einer pflanzlichen Ernährung. Politik regiert auf diese massive Kritik mit immer schärferen Tierschutz- und tierbezogenen Umweltstandards, die letztlich zu erheblichen Kostensteigerungen für Produktion und Verarbeitung von tierischen Erzeugnissen führen. Nicht zuletzt steht auch die Futterbasis der heimischen Nutztierproduktion in der Kritik, und es wird aus Klimaschutzgründen eine Beschränkung der Sojaimporte aus Südamerika gefordert.

Vor dem Hintergrund dieser potenziellen Belastungsfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Nutztierbranche verfolgt die vorliegende Studie das Ziel, die Kosten und Nutzen einer rein pflanzlichen Ernährung im globalen Kontext zu quantifizieren und Antworten zu finden, wie Politik auf Problembereiche mit wirksamen und effizienten Maßnahmen reagieren sollte. Problembereiche dabei sind die Unterernährung in armen Ländern, die Klimabelastung, der Land- und Wasserverbrauch sowie die Nährstoffverluste der tierischen Produktion.

Im Ergebnis zeigt sich, dass Fleischverzicht, Kostenanstieg und Sojaimportverbot zu Milliardenverlusten für Erzeuger und volkswirtschaftliche Wohlfahrt führen, insbesondere wenn Deutschland Maßnahmen im nationalen Alleingang und nicht EU-einheitlich durchsetzt. So verliert Deutschland bei einem einseitigen nationalen Sojaimportverbot beispielsweise 10 Milliarden US-Dollar pro Jahr, und ein Fleischverzicht von 50% im nationalen Alleingang hätte Wohlfahrtsverluste in Höhe von 8,8 Milliarden US-Dollar zur Folge. Dann profitieren nämlich nicht nur die Konkurrenten außerhalb der EU, sondern auch die anderen EU-Mitgliedsländer. Die Milliardenverluste sowie die Verluste an Marktanteilen und Arbeitsplätzen fallen umso höher aus, je mehr der internationale Agrarhandel und die Investitions- und Innovationsaktivitäten durch die Maßnahmen eingeschränkt werden, und sie steigen exponentiell mit dem Grad des Konsumverzichts bzw. des Kostenanstiegs. Kommt beides zusammen, ist die Existenzfähigkeit der deutschen Nutztierbranche eindeutig gefährdet.

Die Effekte von Fleischverzicht und Kostenanstieg in der EU auf den Land- und Wasserverbrauch sowie auf die CO2-Emissionen fallen dagegen wider Erwarten durchweg gering aus. Das liegt daran, dass die induzierten Einsparungen an Ressourcenverbräuchen im Heimatland durch Mittelumschichtungen im Verbraucherwarenkorb, durch Faktorwanderungen in andere Produktionsbereiche sowie durch weltweite Produktionsverlagerungen und Verbrauchsanpassungen einen Mehrverbrauch von natürlichen Ressourcen an anderer Stelle auslösen. Das kann die potenziellen Einspareffekte weltweit deutlich einschränken, sie vollkommen kompensieren oder sogar in das Gegenteil verkehren. Die Klimapolitik liefert mögliche Beispiele für ein solches kontraproduktives Ergebnis. Ein Fleischverzicht in Deutschland rettet also keinen Regenwald und spart Wasser und Land, wenn überhaupt, an der falschen Stelle. Lokale Umweltprobleme sind vor Ort anzugehen und nicht mit Handelsbeschränkungen. Globale Umweltprobleme sind dagegen global zu bekämpfen oder über eine bessere Koordination der separaten nationalen und sektoralen Regelungsbereiche zu lösen. Die Verwendung von ökologischen Fußabdrücken erweist sich dabei als ausgesprochen problematisch, weil sie bei der Messung pro Produkteinheit oder pro Nährstoffeinheit zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen können, sie wegen des Fehlens eines gemeinsamen Nenners untereinander nicht vergleichbar sind und schon gar nicht eine Abwägung mit den ökonomischen Effekten erlauben.

Auch eine Verbesserung der Ernährungssituation in armen Ländern durch Fleischverzicht in westlichen Ländern kann nicht wirklich nachgewiesen werden, weil Entwicklungsländer und deren ländliche Räume oft weitgehend von den Weltmärkten abgekoppelt sind und die heimischen Erzeuger- bzw. Verbraucherpreise vor allem von internen Einflussfaktoren gesteuert werden. Hunger und Armut sind demnach hausgemacht und müssen vorrangig auch dort bekämpft werden. Und bis heute ist auch in der Literatur strittig, ob hohe oder niedrige Agrarpreise besser für die Ernährungssituation sind und ob tatsächlich Nährstoffverluste der tierischen Produktion in der oft behaupteten Größenordnung anfallen, wenn man sie auf die gesamte Wertschöpfungskette bezieht und sie nicht in Mengeneinheiten, sondern in Geldeinheiten misst.

Fleischverzicht, einseitige Standards und Sojaimportverbote sind deshalb ungeeignete Mittel der Politik. Es gibt treffsicherere, wirksamere und sparsamere Instrumente, ohne die Nutztierbranche in ihrer Existenz zu gefährden. Technologische Fortschritte und Innovationen in der Pflanzen- und Tierzucht, der Tierernährung, der Tierhaltung und Tiergesundheit sowie in Bewässerungs- und Bodenbearbeitungssystemen sind hier zu nennen. Dann kann auf eine staatliche Konsum- und Produktionslenkung für eine rein pflanzliche Ernährung verzichtet werden, die offensichtlich mit Blick auf Umwelt, Klima und Welternährung nicht halten kann, was sie verspricht.“