Visuelle Fleischuntersuchung – EU konkretisiert ihre Vorstellungen

VDF, 07.11.2006 - Nach der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 kann die zuständige Behörde auf der Grundlage epidemiologischer oder anderer Daten des Betriebs entscheiden, dass Mastschweine lediglich einer Besichtigung im Rahmen der Fleischuntersuchung unterzogen werden. Diese Formel führte in den Mitgliedstaaten zu inhaltlichen Diskussionen, die nun die Europäische Kommission veranlassten, einen Vorschlag für eine einheitliche Handhabung zu unterbreiten. Der Verordnungsvorschlag geht über das bisherige Recht hinaus, da die Möglichkeit der visuellen Fleischuntersuchung bisher nur für Mastschweineschlachtungen vorgesehen ist, jetzt aber auch für Kälber und Lämmer zur Anwendung kommen soll. Der bislang nur in englischer Sprache vorliegende Entwurf sieht vor:

Voraussetzung einer visuellen Fleischuntersuchung ist in jedem Fall, dass bei den zur Schlachtung gelangenden Tieren bestimmte Aufzucht-/ Mastbedingungen beachtet wurden. Dazu gehören u.a.:

  • Das verabreichte Futter muss den Bedingungen der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 mit Vorschriften für die Futtermittelhygiene entsprechen. Wird Rohfutter oder Getreide verfüttert, muss es angemessen behandelt worden sein, vorzugsweise getrocknet und / oder pelletiert sein.
  • Soweit möglich, sind für die Aufzucht/Mast „all-in/all-out Systeme“ zu praktizieren. Dies bedeutet, dass möglichst sämtliche Tiere gemeinsam in die Stallanlage eingebracht werden und auch gemeinsam die Anlage zur Schlachtung verlassen sollen. Sollen zwischendurch Tiere eingestallt werden, müssen diese vorher solange wie nötig in Isolation gehalten werden, um den Eintrag von Krankheiten zu vermeiden.
  • Grundsätzlich dürfen die Tiere nicht ins Freie gelangen.
  • „Detaillierte Informationen zur Lebensmittelkette“ gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004, die die Zeit von der Geburt der Tiere bis zur Schlachtung und ihre Haltungsbedingungen berücksichtigt, müssen verfügbar gemacht werden.
  • Soweit Einstreu für die Tiere vorgesehen ist, muss dieses zur Krankheitsvermeidung entsprechend behandelt sein.
  • Das Personal der Aufzucht-/Mastanlage hat die allgemeinen Hygieneanforderungen in der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 zu beachten.
  • Der Zugang zu der Aufzucht-/Mastanlage durch Personen ist genau zu kontrollieren.
  • Grundsätzlich sollte sich der Betrieb nicht mit Fremdenverkehrsaktivitäten (Beherbergung/Camping) befassen.
  • Die Tiere dürfen keinen Zugang zu Müllgruben oder Haushaltsabfällen besitzen.
  • Ein Ungezieferbekämpfungsplan muss praktiziert werden.
  • Grundsätzlich darf keine Silagefütterung stattfinden, es sei denn der Nachweis kann erbracht werden, dass durch diese Art der Fütterung ein gesundheitliches Risiko nicht entsteht.
  • Flüssigkeit aus der Abwasserbehandlung darf nicht Bereichen zugeleitet werden, die den Tieren zugänglich sind.


Darüber hinaus muss die zuständige Behörde ein regelmäßiges serologisches und/oder mikrobiologisches Monitoring für eine vorbestimmte Anzahl von Tieren basierend auf einer Risikoanalyse bedeutsamer Krankheiten in einer bestimmten Region etablieren.

Über diese allgemeinen Bedingungen hinaus stellt der Verordnungsentwurf tierspezifische Vorschriften auf:

Kälber müssen in amtlich tuberkulosefreien Herden geboren und aufgezogen sein. Die visuelle Fleischuntersuchung muss durch das Durchtasten

  • der Retropharyngeallymphknoten (= hinter dem Rachen liegend)
  • der Bronchiallymphknoten und
  • der Mediastinallymphknoten (= Mittelfelllymphknoten)
ergänzt werden.

Lämmer, die nicht direkt von dem Betrieb, in dem sie geboren wurden, zur Schlachtung gehen, dürfen nur einmal an einen anderen Betrieb (zur Aufzucht-/Mast) abgegeben worden sein, wenn sie der visuellen Untersuchung unterzogen werden sollen.

In allen Fällen sollen Veränderungen, die im Rahmen der visuellen Beschau festgestellt werden, zur konventionellen Fleischuntersuchung führen.

Der Entwurf sieht als Inkrafttreten den 1. Januar 2007 vor. Ob dieser Zeitpunkt realistisch ist, erscheint aber eher zweifelhaft.