Können wir auf eine gemeinschaftliche Absatzförderung wirklich verzichten?

VDF, 04.02.2009 - Die gemeinschaftlich finanzierte Absatzförderung für die Land- und Ernährungswirtschaft (Durchführung CMA) und die ebenfalls aus Abgaben finanzierte Förderung der Markttransparenz (Durchführung ZMP) wurden für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Von dem heutigen Urteil der Verfassungsrichter wurden sowohl die Vertreter der Landwirtschaft, der Deutsche Bauernverband, die Verbände der Ernährungswirtschaft als auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) überrascht. Allgemein hatte man damit gerechnet, dass das Verfassungsgericht Änderungen für das Absatzfondsgesetz einfordern wird, nicht aber mit einer gänzlichen Aufhebung des Gesetzes.

Die Auswirkungen des Urteilsspruchs für die Fleischwirtschaft sind, abgesehen davon, dass eine Abgabenerhebung nicht mehr erfolgen darf, noch nicht abschätzbar. Äußerst wahrscheinlich ist, dass CMA und ZMP bereits in Kürze ihre Arbeit einstellen müssen. Wann genau dies sein wird und welche Aufgaben bis dahin noch erledigt werden können, wird in diesen Tagen vom BMELV zu entscheiden sein.

Sicherlich war nicht alles, was CMA und ZMP in der Vergangenheit durchgeführt haben, auch immer gut und nutzbringend. Dies betrifft vor allem einige Werbekampagnen oder z.B. den Schlachhofpreisvergleich. Auch einige Kritikpunkte an den Strukturen des Absatzfonds und seiner Durchführungsorganisationen waren durchaus berechtigt. Der weit überwiegende Teil der mit den Gemeinschaftsmitteln durchgeführten Aufgaben wird jedoch von der deutschen Ernährungswirtschaft sehr geschätzt, weil er der Sache dient und weil die Gemeinschaftsaufgaben nicht von einzelnen Unternehmen durchgeführt werden können.

Die CMA hat insbesondere im Bereich Exportförderung wesentliche Aufgaben für die Unternehmen der Fleischwirtschaft ausgefüllt. Das Leistungsangebot geht von Messeauftritten über Wirtschaftstreffen mit Geschäftsanbahnungen in den Zielländern sowie Informationsbeschaffung und direkte Unterstützung über die CMA-Außenstellen weltweit bis hin zur Unterstützung von Delegationsreisen (z.B. russische Veterinäre). Diese Leistungen wurden von den Unternehmen der Fleischwirtschaft intensiv genutzt. Gerade bei der Unterstützung zur Erschließung neuer Exportmärkte wie Russland, China, Japan, Südkorea hat die CMA in den letzten Jahren mit Erfolg wichtige begleitende Funktionen für die Fleischwirtschaft übernommen. Es ist schwer vorstellbar, dass die mittelständischen Unternehmen zukünftig ohne eine gemeinschaftliche Messeunterstützung und Markteintrittsbegleitung in fernen Ländern auskommen können. Der Fleischexport insgesamt wird darunter leiden.

Auch die Imageförderung ist gerade für Fleisch eine sehr wichtige Aufgabe, die dem Fleischabsatz dient und in der Breite nicht von einzelnen Unternehmen geleistet werden kann. Hier hat die CMA sehr viel in der Ernährungsaufklärung und Informationsaufbereitung für Journalisten und Multiplikatoren getan. Viele dieser Projekte sind kaum bekannt, da sie auf eine langfristige Wirkung im Hintergrund ausgelegt waren, wie z.B. die Erstellung von Unterrichtsmaterialien.

Speziell für die Fleischwirtschaft hat die CMA gerade erst vor einer Woche eine große Imagekampagne gestartet. „Die Fleischexperten, 360 Grad Qualität“ ist nach ersten Zwischenbewertungen sehr erfolgversprechend dazu geeignet, das Ansehen der Fleischerzeugung und das Vertrauen in die Qualität von Fleisch zu erhöhen. Die Kampagne ist auf eine nachhaltige Wirkung angelegt und sollte zunächst zwei Jahre laufen. Jetzt wird sie vermutlich in Kürze abgebrochen.

Hätte sich QS-Fleisch ohne die entsprechenden Schulungen und Aufklärungsmaßnahmen auf landwirtschaftlicher Stufe in der Breite und der kurzen Zeit umsetzten lassen? – Oder, hätten sich wirklich alle Stufen an dem QS-System beteiligt, wenn das Prüfzeichen nicht mit viel Aufwand gegenüber dem Verbraucher bekannt gemacht worden wäre? - Vermutlich nicht. Auch dies war eine direkte Leistung der gemeinschaftlichen Absatzförderung über die CMA. Alle an der Fleischerzeugung Beteiligten profitieren heute von der stufenübergreifenden Qualitätssicherung.

Einige Forschungsprojekte zur Absatzsicherung von Fleisch sind in den vergangenen Jahren nur möglich gewesen, weil die CMA zu einem großen Teil daran beteiligt war. Ob solche Forschungen, die der Branche insgesamt zugute kommen und nicht nur einzelnen Unternehmen nutzen, zukünftig noch möglich sein werden, ist fraglich.

Darüber hinaus sind verlässliche Marktinformationen eine wichtige Voraussetzung für faire Geschäfte und Grundlagen für viele Entscheidungen in den Unternehmen. Bis heute war es selbstverständlich, dass die ZMP diese Informationen zuverlässig und neutral sammelt, aufbereitet, analysiert und allen Beteiligten zur Verfügung stellt. Fällt diese glaubwürdige Marktinformation zukünftig weg, werden nicht nur die landwirtschaftlichen Erzeuger, sondern auch die Vermarkter im Nebel stochern und ihre Entscheidungen unter viel größerer Unsicherheit treffen müssen.

Insgesamt betrachtet wurden mit der gesetzlichen Absatzfondsabgabe viele Gemeinschaftsaufgaben für die Fleischwirtschaft und andere Ernährungsbranchen durchgeführt, von denen letztlich alle im Markt, und auch die Kritiker, profitiert haben. Wenn es nicht gelingt, eine solidarische Finanzierung dieser Aufgaben auf neue Beine zu stellen (produktspezifisch oder branchenübergreifend), werden alle im Markt früher oder später die Nachteile spüren. Dies gilt vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die Konkurrenz in anderen Ländern die Vorteile einer gemeinschaftlichen Absatzförderung weiter nutzen kann.

Der Verband wird deshalb gemeinsam mit dem BMELV, dem Bauernverband und anderen Branchenverbänden nach neuen Wegen suchen, wie eine gemeinschaftliche Absatzförderung zukünftig gesichert werden kann.