VDF fordert Beibehaltung des Rinderpasses oder freien Zugang zur Datenbank

VDF, 02.06.2006 - Der bayerische Landwirtschaftsminister Miller hat vor kurzem in einer Presseerklärung als Beitrag zur Entbürokratisierung die Abschaffung des Rinderpasses und den Ersatz des Dokuments durch ein nichtamtliches Begleitpapier ohne die bisherigen Rückseiteninformationen gefordert. Anlass für die Forderung sind Probleme gegenüber den EU-Behörden wegen teilweise unvollständiger Angaben zu den Halterwechseln auf den Rückseiten der Tierpässe.

Der Vorsitzende des VDF, Herr Härtl, hat daraufhin mit nachfolgender Argumentation den Minister darum gebeten, diese Absicht zu überdenken, da der Vorschlag im Zusammenhang mit anderen Regelungen negative Konsequenzen hätte, die die Vorteile einer geringfügigen Vereinfachung überwiegen.

Die Vorschriften über die Rindfleischetikettierung und den BSE-Test erfordern bei der Schlachtung verlässliche und unmittelbar verfügbare Informationen über Werdegang und Geburtsdatum der Tiere. Nur mit ihnen ist es möglich, effizient und arbeitssparend die Schlachthälften direkt bei der Verwiegung und Klassifizierung zu etikettieren und die Entscheidung über die zu entnehmende Probe für den BSE-Test zu treffen.

Die Rinderdatenbank allein kann diese Informationen nicht mit der für den Schlachtprozess erforderlichen Sicherheit bereitstellen. Erfahrungsgemäß liefert die Datenbank zum Zeitpunkt der Schlachtung für ca. 1 % der Rinder eine Fehlermeldung, da frühere Falscheingaben zu einem Konflikt mit der Nummerneingabe des Schlachtbetriebs führen. Überdies drohen Leitungsstörungen und Serverpannen bei der Datenbank. Fehlermeldungen bzw. Unterbrechungen der Datenübermittlung würden ohne Tierpass eine unvertretbare Verzögerung des Schlachtprozesses hervorrufen oder die Rinderschlachtbetriebe im schlimmsten Fall in ganz Deutschland blockieren. Es müssten ohne die erforderliche Altersinformation BSE-Test-Proben auch für Tiere genommen werden, für die es mit der Altersinformation nicht nötig gewesen wäre. Die Etikettierung könnte nur mit erhöhtem Aufwand erst nach der Schlachtung erfolgen.

Könnten die Tierdaten z.B. bei einem Verlust der Ohrmarken auf dem Transport ohne die Informationen des Tierpasses nicht mehr rekonstruiert werden, müsste das gesamte Rind vernichtet werden.

Zudem müssten alle Schlachtbetriebe - auch die kleinen - über eine Online-Verbindung im Schlachtband verfügen, um vor dem Ende der Schlachtung die benötigten Informationen abzufragen. Solche Einrichtungen sind in nur wenigen deutschen Schlachtbetrieben vorhanden und würden erhebliche Investitionen erfordern.

Aber auch der Ersatz des Passes durch ein nichtamtliches Begleitpapier ohne die bisherige Rückseite würde zu Problemen führen: Die deutsche Datenbank liefert den Schlachtbetrieben nur anonymisierte Informationen über das Tier (Geburtsdatum, Mitgliedsstaat(en) der Geburt und der Haltung) ohne Mitteilungen über die Halter und die Orte bzw. Regionen der Geburt bzw. der Mast. Für Regionalprogramme und Programme mit Einzeltierrückverfolgbarkeit zum Landwirt entstünden erhebliche Zusatzaufwendungen, um die benötigten Informationen zu erhalten.
Ohne Rinderpass und teilweise auch mit dem vorgeschlagenen Begleitpapier wäre den Schlachtbetrieben zudem eine Möglichkeit genommen, anhand eines offiziellen Dokuments nachträglich von der Datenbank festgestellte Datenfehler zu korrigieren bzw. die Stimmigkeit der Dateneingabe des Schlachtbetriebes zu belegen.

Der Rinderpass wird von allen am Vermarktungsablauf Beteiligten (Landwirtschaft, Viehhandel, Erzeugergemeinschaften und Viehvermarktungsgenossenschaften, Veterinären, Klassifizierungsunternehmen, Schlacht- und Zerlegebetrieben, Fleischverarbeitern und Einzelhandel) als gut handhabbares und verlässliches Dokument für die verschiedenen Zwecke der Rückverfolgbarkeit und Produktdokumentation im Rindfleischsektor geschätzt. Der Bundesmarktverband für Vieh und Fleisch hat sich demzufolge einmütig für die Beibehaltung des Rinderpasses ausgesprochen.

Der Ersatz des Rinderpasses durch das vorgeschlagene Begleitpapier ohne Rückseite wäre allenfalls zu akzeptieren, wenn die Wirtschaft vollen Zugang zu den Datenbankinformationen erhielte, also einschließlich der Namens- und Ortsinformationen über die Halter auf dem Lebensweg des Rindes.